Streiten – Vokabel der Bezogenheit

blume2Wenn wir uns einem Phänomen nähern, können wir dies auf verschiedene Arten tun. Wir befragen die öffentliche Meinung, interessieren uns dafür was Wissenschaftler, Literaten und Künstler zum Thema beitragen können, oder wir beleuchten, wie das Phänomen in der Sprache repräsentiert ist.

Streiten ist eine Vokabel, genauer gesagt eine Verb. Wir benutzen es um die Qualität von Beziehungen zu beschreiben. Wenn wir mit jemandem streiten, dann sind wir auf jemanden bezogen und das Gegenüber auf uns. In dem Wort “beziehen” oder “bezogen sein”, verbirgt sich, dass wir miteinander verbunden sind – auf magische Art und Weise – so, als wäre ein Seil zwischen uns gespannt. Das Seil kann dann manchmal locker, manchmal straffer gespannt sein. Streiten wir uns, entsteht offensichtlich eine Spannung zwischen zwei Menschen, eine Spannung die so stark werden kann, dass das Seil reißt. Das Streiten ist also eine Vokabel für eine ganz besondere Beziehungsqualität zwischen zwei Menschen.

Darüber hinaus gibt es noch jede Menge anderer Vokabeln, die die Bezogenheit zweier Menschen beschreiben, z.B.: Diskutieren, debattieren, zanken, disputieren, verhandeln, überzeugen, argumentieren, vereinbaren, handeln, umstimmen, andrehen, verkaufen, bekehren, überreden, manipulieren, beschwatzen, weich machen, bearbeiten, herumkriegen, verlocken, verleiten, verzaubern, bezirzen, verführen, verhexen, betören, beraten, besprechen, darlegen, erörtern.

Können Sie die Spannung jeweils im Seil spüren? Bei all diesen “Tun”-Wörtern sind wir auf jemanden bezogen. Wir möchten etwas beim Gegenüber erreichen und sein Verhalten, seine Überzeugungen, seine Meinungen oder seine Werte verändern. Wir möchten einen Unterschied herstellen oder nivellieren. Wir streiten, wenn wir obige Handlungen ausführen.

Es ist schon erstaunlich, wie viele Möglichkeiten wir haben, einen anderen Menschen zu beeinflussen. Streiten ist elementar für jegliches Miteinander – und nicht immer offensichtlich. Wir brauchen schon empfindliche Antennen, um zu erkennen, wie wir uns gegenseitig manipulieren und verändern möchten.

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